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Under Eastern Eyes

Eine Legende berichtet, dass Alexander der Große sich als sein eigener Botschafter verkleidete und die Königin von Persien Nusabeh traf. Jedoch verrieten ihn sein Gesicht und seine Gesten und brachten ihn in Gefahr. Er wusste nicht, dass die Königin die Porträts von Königen und Kaisern ihrer Zeit auf eine Seidenrolle malen ließ. Sie beruhigte ihn und hieß ihn willkommen, dann entrollte sie die Seidenrolle und sprach zu ihm: „Ich zeige dir dein eigenes Bild, damit du das Bild, das du von mir hast, verändern kannst!“

Diese kurze Geschichte bringt die schwierige und komplexe Beziehung, die Orient und Okzident miteinander hatten und noch haben, auf den Punkt. Aber sie gibt uns auch einen wichtigen Schlüssel für die wechselseitige Anerkennung und das gegenseitige Verständnis.

Unser oberstes Ziel in diesem Schwerpunkt unseres Programms ist es, dem Okzident sein eigenes Bild zu zeigen, wie es in den Augen des Orients erscheint, damit auch er das Bild, das er vom Orient hat, verändern kann.
Das Ziel soll durch das Studium der Wahrnehmung des Okzidents durch den Orient erreicht werden; es gilt die Rezeption im Osten, insbesondere in der arabischsprachigen Welt, von eminent westlichen Werken und Persönlichkeiten zu erforschen und ihre Präsenz im kollektiven Bewusstsein der orientalischen Kulturen zu erhellen. .
Indem der Okzident sein eigenes Bild im orientalischen Blick erkennt, vermag er wiederum sein Bild vom Orient zu revidieren. Denn das Bild von sich selbst im Blick des Anderen erlaubt es, nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen zu erkennen.

 

 

Illustration: Büste von Alexander-Helios. 3-2 Jahrhundert v. Chr. Kapitolinischen Museen, Rom, Italien.

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Hiwar & Nikash

Il y a un objet culturel qui va jouer un rôle essentiel dans la perception d’autrui : c’est le langage. Dans l’expérience du dialogue, il se constitue entre autrui et moi un terrain commun, ma pensée et la sienne ne font qu’un seul tissu, mes propos et ceux de l’interlocuteur sont appelés par l’état de la discussion, ils s’insèrent dans une opération commune dont aucun de nous n’est le créateur. (…) Nous sommes l’un pour l’autre collaborateurs dans une réciprocité parfaite, nos perspectives glissent l’une dans l’autre, nous coexistons à travers un même monde. Dans le dialogue présent, je suis libéré de moi-même, les pensées d’autrui sont bien des pensées siennes, ce n’est pas moi qui les forme, bien que je les saisisse aussitôt nées ou que je les devance, et même, l’objection que me fait l’interlocuteur m’arrache des pensées que je ne savais pas posséder, de sorte que si je lui prête des pensées, il me fait penser en retour.

In der Erfahrung des Dialogs konstituiert sich zwischen mir und dem Anderen ein gemeinsamer Boden, mein Denken und seines bilden ein einziges Geflecht, meine Worte wie die meines Gesprächspartners sind hervorgerufen je durch den Stand der Diskussion und zeichnen sich in ein gemeinsames Tun ein, dessen Schöpfer keiner von uns beiden ist. Das ergibt ein Sein zu zweien, und der Andere ist hier nicht mehr für mich ein bloßes Verhalten in meinem transzendentalen Felde, noch übrigens in dem seinen, sondern in vollkommener Gegenseitigkeit sind wir für einander Mitwirkende, unser beider Perspektiven gleiten ineinander über, wir koexistieren durch ein und dieselbe Welt hindurch. Im gegenwärtigen Dialog werde ich von mir selbst befreit, die Gedanken des Anderen sind durchaus die seinigen, die nicht ich etwa hervorbringe, wiewohl ich sie schon in statu nascendi erfasse, ja ihnen vorweg bin; und Einwände meines Gesprächspartners entreißen mir sogar Gedanken, von denen ich nicht wusste, dass ich sie hatte, so dass also der Andere ebenso sehr mir zu denken gibt wie ich ihm Gedanken zuschreibe.

M. Merleau-ponty, Phénoménologie de la perception, pp 407, Gallimard 1945

Im Arabischen gibt es zwei Wörter für „Dialog“, das Wort „Hiwar“ und das Wort „Nikach„; während „Hiwar“ genau dem englischen Wort „Dialog“ entspricht, meint „Nikach“ zwar auch Dialog/Diskussion, doch das Wort geht auf das Verb „Nakacha“ zurück, was soviel wie „gravieren“, „schnitzen“ oder „meißeln“ bedeutet. So gesellt sich zu den ethischen Tugenden von Hiwar noch die ästhetische Qualität von Nakch (Gravur); Daher kommt zu den dialogischen Tugenden, eine unmittelbare Nähe zu dem Gesprächspartner herzustellen und mit ihm in vollkommener Gemeinsamkeit zu agieren, hier ein künstlerischer Wert hinzu. Als Nikach ist der Dialog auch ein Kunstwerk, er schnitzt und meißelt in der Sprache, mit der Schärfe des Bewusstseins verleiht er dem Dialog die Form einer Arabeske oder eines bestickten Stoffes. Der künstlerische Wert ist aber nicht ornamental, sondern er trägt aktiv zum ethischen Wert des Dialogs bei, indem er einer großzügigen Gastfreundschaft, einer Kunst des Empfangens und Zusammenseins, Raum gibt.

Dieser zweite Fokus widmet sich herausragenden Persönlichkeiten des Dialogs zwischen Orient und Okzident in Geschichte und Gegenwart.

Hiwar & Nikach Focus verfolgt zwei Linien:

Betont und analysiert werden erstens historische Begegnungen zwischen bedeutenden Persönlichkeiten aus Orient und Okzident.
„Der Sultan und der Heilige: Malik Al-Kamil & Francisco d’Assisi“, eröffnet diese Dialoglinie.

Zweitens sollen Parallelen zwischen herausragende Persönlichkeiten des Orients und Abendland studiert werden, die ähnliche Positionen vertreten. Diese Personen müssen sich daher nicht getroffen haben, vielmehr teilen sie z.B. dieselben Werte teilen, beeinflussen einander oder gelangen von unterschiedlichen Standpunkten zu vergleichbaren Positionen.

“Ibn Arabi & Plato” eröffnet diese Reihe von Doppelporträts

 

Illustration: Constantine der Afrikaner & Hunayn Ibn Ishaq / Averroes & Porphyry,  Liber de herbis et plantis, Manfred de Monte Imperiali, die erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts, Bibliothèque Nationale de France, Paris.

Encounter

Zaman & Makan

La philosophie de la rencontre, cette synthèse de l’évènement et de l’éternité. (…) Le moi s’éveille par la grâce du toi. L’efficacité spirituelle de deux consciences simultanées, réunies dans la conscience de leur rencontre, échappe soudain à la causalité visqueuse et continue des choses. La rencontre nous crée : nous n’étions rien — ou rien que des choses — avant d’être réunis.

Gaston Bachelard,  Preface to “ Je et Tu“, Martin Buber, pp8-9, Aubier 1992 

 

Unser vierter Fokus Zaman & Makan, Zeit & Ort, untersucht die zeitlichen und räumlichen Kreuzungspunkte, an denen Orient und Okzident sich begegneten, gleichzeitig existierten, einander bereicherten.

Der Zaman & Makan Focus liegt auf zwei Leitlinien:

Andalussiyat, ist ein weites Programm, das dem Studium des andalusischen Erbes in all seinen Erscheinungsformen in Kunst, Literatur, Wissenschaft und Philosophie gewidmet ist;

Das Travelling Arts Programm beleuchtet und untersucht den Transfer von Kunstformen zwischen Orient und Okzident und vice versa und fragt danach, inwiefern eine Kunstform zu einem Teil der Ästhetik der anderen Kultur wurde und welche Transformationen von Darstellungs- und Ausdrucksformen sich dadurch jeweils ergaben: Reiseliteratur / Reisemusik / Reisebilder …

 

 

Illustration: Karte von Venedig, Kitab-i Bahriye, Ḥājji Muhyieddin Piri Ibn Ḥājjī Meḥmed (Piri Reis), 1525, Walters Art Museum, Baltimore, U.S.